Auktion: 386 / Moderne Kunst am 10.12.2011 in München Lot 47

 
Christian Rohlfs - Soest


47
Christian Rohlfs
Soest, 1916.
Öl
Schätzung:
€ 140.000
Ergebnis:
€ 201.300

(inkl. Käuferaufgeld)
Öl und Tempera auf Leinwand.
Vogt 560. Rechts unten monogrammiert und datiert "CR 16". Auf dem Keilrahmen bezeichnet "Stiftung Kaesbach". 79,5 x 99 cm (31,2 x 38,9 in).
Walter Kaesbach, aus dessen Sammlung die Arbeit stammt, gehörte zu den ersten Freunden und Förderern des Künstlers und blieb diesem bis zu dessen Tode eng verbunden.

Mit einer Echtheitsbestätigung von Prof. Dr. Paul Vogt, Essen, vom 21. August 2006.

PROVENIENZ: Walter Kaesbach Stiftung, Städtisches Museum Mönchengladbach, Inv.Nr. K 60 (ab 1922).
Walter Kaesbach Stiftung, Städtisches Museum Mönchengladbach im Karl-Brandts-Haus, Mönchengladbach (ab 1928).
Beschlagnahme im Zuge der Aktion "Entartete Kunst", Verbringung nach Berlin, Depot in Schloss Niederschönhausen (1937).
Privatbesitz (nach 1937).
(Als entartet beschlagnahmt, in der Zwischenzeit vollwirksamer Eigentumserwerb mit Ablauf des Jahres 1948.
Daher aus dem Verlustregister lostart.de gestrichen)
.

AUSSTELLUNG: Rohlfs, Nauen, Feininger, Heckel, Nolde. Bilder, Aquarelle und Zeichnungen, Städtisches Museum Mönchengladbach, Mönchengladbach 1922, Nr. 12.
Katalog der Dr. Walter Kaesbach Stiftung im Karl-Brandts-Haus zu M. Gladbach, Mönchengladbach 1928.
Galerie Henze & Ketterer, Wichtrach, Schweiz (auf der Rahmenabdeckung mit dem Etikett).
Galerie Neher, Essen (auf dem Keilrahmen mit dem Etikett).
Christian Rohlfs. Die Begegnung mit der Moderne, Kunsthalle zu Kiel / Brücke-Museum Berlin 2005, Nr. 51.

LITERATUR: Gertrud Bender, Christian Rohlfs, ein Mittler zwischen zwei Jahrhunderten; in: Westfalen 30 (1952,1), S. 1-30, S. 10f., Abb. 5.
Anton Henze, Westfälische Kunstgeschichte, Recklinghausen 1957, S. 407, Abb. 277.
Franz Roh, "Entartete" Kunst. Kunstbarbarei im Dritten Reich, Hannover 1962, S. 229.
Sabine Kimpel, Walter Kaesbach Stiftung. 1922-1937. Die Geschichte einer expressionistischen Sammlung in Mönchengladbach [Beiträge zur Geschichte der Stadt Mönchengladbach 11], Mönchengladbach 1978, S. 162f. (mit Abb.) und S. 41 (Quelle).

1849 wird Christian Rohlfs in Niendorf in Holstein geboren. Nach einem Sturz als 15-Jähriger folgt ein zweijähriges Krankenlager. Hier wird die zeichnerische Begabung des Jungen entdeckt. Auf Empfehlung Theodor Storms, dem Schwager von Rohlfs' Arztes, geht er zunächst nach Berlin, dann 1870 an die Kunstakademie in Weimar, um Malerei zu studieren. Auch nach der Amputation seines Beines 1874 gibt Rohlfs sein Studium nicht auf. Er erhält eine Freistelle in der Akademie und ist ab 1876 Schüler in der Malklasse von Prof. Alexandre Struys. 1883 folgt eine kurze Lehrzeit im Atelier von Max Thedy. Im selben Jahr wendet sich Rohlfs endgültig von der akademischen Figur- und Historienmalerei ab und fast ausschließlich der Landschaftsmalerei zu. 1884 wird er zum selbstständigen Künstler erklärt. In den folgenden 20 Jahren entwickelt er sich stilistisch parallel zur Schule von Barbizon und zum französischen Impressionismus und wird von Zeitgenossen als einer der führenden Vertreter der deutschen Freilichtmalerei gefeiert. Durch die Vermittlung Henry van de Veldes lernt Rohlfs den Gründer des Folkwang-Museums Karl Ernst Osthaus in Hagen/Westfalen kennen. Dieser stellt ihm ab 1901 im Museum in Hagen ein Atelier zur Verfügung. Der Ortswechsel nach Hagen hat einen unerwarteten Wandel zur Folge. In seinen Werken machen sich zunehmend die Einflüsse Van Goghs und des Neoimpressionismus bemerkbar. Der beginnende Expressionismus der "Brücke", dem im Folkwang-Museum frühe Ausstellungen gewidmet sind, entspricht Rohlfs' eigener Tendenz zu expressiver Gestaltung in Farbe und Form. Als Sechzigjähriger findet er zu seinem expressiven Spätstil.

Die große Bedeutung der Stadt Soest in Rohlfs Leben und Werk ist unbestritten. Während eines Sommeraufenthaltes lernt er dort 1905 Emil Nolde kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden soll. Obwohl Rohlfs nur zwei Sommer, 1905 und 1906, in Soest verbringt, fasziniert ihn die Stadt so sehr, dass er sie später aus der Erinnerung heraus immer wieder malt. Unser Gemälde entsteht ganze zehn Jahre nach seinem dortigen Aufenthalt. Zweifellos zählt es zu den Glanzpunkten in Rohlfs' Œuvre. Deutlich lässt sich hier der enorme Entwicklungsschritt erkennen, den Rohlfs' Malerei seit seinem Fortgang von Weimar innerhalb kurzer Zeit vollzogen hat. Ganz im Sinne des Expressionismus sucht der Künstler nun nicht mehr wiederzugeben, was er sieht, sondern was er fühlt. Farbe und Form beschreiben nicht mehr, sondern besitzen Eigenwert. Mit schwungvollen, breiten Pinselstrichen zeigt uns Rohlfs das Bild, dass vor seinem inneren Auge erscheint: Hoch über die Häuser hinausragend bilden drei mächtige Kirchtürme – St. Peter, St. Paul und St. Patrokli – das zentrale Motiv und vermitteln dem Betrachter den erhabenen Charakter der alten Stadt. Den strahlenden Rot- und Gelbtönen des Himmels und der Dächer setzt Rohlfs in eindrücklichem Kontrast leuchtend blaue Farbakzente entgegen. Diese kraftvolle und intensive Farbigkeit macht unser Gemälde zu einer der malerisch bedeutendsten Arbeiten, die der Künstler zu dem Thema "Soest" geschaffen hat.

Zahlreiche Ehrungen belegen die Anerkennung, die Rohlfs' späte Werke finden. 1929 wird das Christian-Rohlfs-Museum in Hagen gegründet. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wird Rohlfs 1937 aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen. 412 seiner Bilder entfernt man als "entartet" aus deutschen Museen, sein Ausschluss aus der Preußischen Akademie der Künste folgt. 1938 stirbt Christian Rohlfs in seinem Hagener Atelier. In die Kunstgeschichte geht er als einer der wichtigsten Vertreter des Deutschen Expressionismus ein. [KH].




47
Christian Rohlfs
Soest, 1916.
Öl
Schätzung:
€ 140.000
Ergebnis:
€ 201.300

(inkl. Käuferaufgeld)