Auktion: 494 / Klassische Moderne am 07.12.2019 in München Lot 496

 

496
Kurt Schwitters
Spitzbergen, Merzzeichnung, 1929/30.
Collage aus teils farbigen Offsetdrucken und Pa...
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 56.250

(inkl. Käuferaufgeld)
Spitzbergen, Merzzeichnung. 1929/30.
Collage aus teils farbigen Offsetdrucken und Pappe auf Papier auf Karton.
Orchard/Schulz 1630. Verso wohl vom Sohn des Künstlers bezeichnet: "Oeuvre Nr. 1929, 1239". 12,6 x 9,5 cm (4,9 x 3,7 in). Unterlagekarton: 24 x 16,5 cm (9,4 x 6,4, in).
[SM].
• Die "Merzzeichnungen" gehören zu den begehrtesten Arbeiten des Künstlers auf dem internationalen Auktionsmarkt.
• Heiteres Zusammenspiel des scheinbar Unbrauchbaren, das in Schwitters Œuvre absolut einzigartig ist und dessen scheinbare Harmlosigkeit täuscht
.

PROVENIENZ: Ernst Schwitters, Lysaker, 1948-1978 (Erbe des Künstlers).
Galerie Gmurzynska, Köln (bis 1993, mit dem Galerieetikett auf dem Rahmen).
Privatsammlung Hessen (seit 1993).

LITERATUR: Jutta Nestegard, Kurt Schwitters i Norge, Typoskript, Våren, 1993, Abb. 5.




Von 1908 bis 1914 studiert Kurt Schwitters an der Kunstgewerbeschule in Hannover und an der Kunstakademie in Dresden. Die lange akademische Ausbildung, die er in Dresden vor allem bei dem an Frans Hals orientierten Carl Bantzer genießt, scheint eher eine konventionelle Malerlaufbahn vorzubereiten. Entsprechend wenig Einfluss der Moderne zeigt sein Frühwerk. 1917 wird Schwitters zum Kriegsdienst einberufen, den er, da er unter Epilepsie leidet, auf der Schreibstube verbringt. Nach vier Monaten wird er entlassen. Die Eindrücke des Krieges und der Inflation machen aus ihm einen modernen Künstler, der sogar den Expressionismus hinter sich lässt; erste Collagen entstehen 1918, für die Schwitters zufällig gefundene Abfälle benutzt. Er begründet mit seiner Kunst und seinen literarischen Texten in Hannover eine eigene Dada-Einrichtung, die er "Merz" nennt, ein Wortfragment von "Commerzbank". Die 1919 veröffentlichte Prosa- und Gedichtsammlung "Anna Blume" macht Schwitters weit über die Grenzen Hannovers hinweg bekannt. Er knüpft Kontakte zu Herwarth Walden, Hans Arp und Tristan Tzara, nimmt an "Sturm"-Ausstellungen in New York und Zürich teil. Wichtig für Schwitters wird außerdem seine enge Verbindung zu den Bauhaus-Künstlern, zu den holländischen Dadaisten und Konstruktivisten, denen er 1923 die erste Nummer der "Merz"-Zeitschrift widmet. Ab 1923 arbeitet Schwitters als Werbegestalter, Grafiker und Typograf für verschiedene Firmen in und außerhalb von Hannover. 1927 gründet er den "ring neuer werbegestalter" mit Cesar Domela, László Moholy-Nagy und Friedrich Vordemberge-Gildewart, dem auch Willi Baumeister und Walter Dexel beitreten. Neben dieser beruflichen Tätigkeit führt Schwitters die Collagen und Materialbilder der "Merz"-Serie weiter.
Die kleinen Collagen von Kurt Schwitters sind in ihrem heiteren Zufall der Zusammenstellung eine intime Kunst der Assemblage des Wertlos-Unbrauchbaren. Doch die scheinbare Harmlosigkeit täuscht. Schwitters sah in ihnen die Weiterführung des künstlerischen Wollens der Dada-Bewegung, die der etablierten Kunst mit ihrem Nonsens den Kampf angesagt hatte. Eine Ansammlung des scheinbar Zufälligen ist letztlich eine durchdachte Gestaltung von Relikten verschiedenster Provenienz. Hinzu kommt eine Ästhetisierung des Unbrauchbaren, der Reste, die hier, neu vereint, den künstlerischen Aspekt dieser Arbeit ausmachen. Kurt Schwitters hat eine Vielzahl dieser kleinen Collagen geschaffen. Sie stellen im Kontext zum etablierten künstlerischen Schaffen der Zeit eine Besonderheit des Ungewöhnlichen dar.
Mitte der 1930er Jahre stellen sich die ersten internationalen Erfolge ein, 1937 wandert Schwitters nach Norwegen aus. Dem Exil in Norwegen folgt 1940 die Flucht vor den deutschen Truppen nach England, wo sich die isolierte Position, unter der er schon in Norwegen litt, nicht entscheidend verbessert. 1948 stirbt Schwitters in Ambleside (Westmorland). Erst nach seinem Tod setzt die internationale Anerkennung seines Lebenswerkes ein. Schwitters wirkt seiner Zeit weit voraus und hat starken Einfluss auf die Assemblagekunst der neodadaistischen Künstler, wie zum Beispiel Robert Rauschenberg. [KD]



496
Kurt Schwitters
Spitzbergen, Merzzeichnung, 1929/30.
Collage aus teils farbigen Offsetdrucken und Pa...
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 56.250

(inkl. Käuferaufgeld)