Auktion: 345 / Modern Art / Kunst nach 45 am 04./05.06.2008 Lot 108

 
Lesser Ury - Friedensallee mit Siegessäule


108
Lesser Ury
Friedensallee mit Siegessäule, 1920.
Pastell
Schätzung:
€ 55.000
Ergebnis:
€ 55.200

(inkl. Käuferaufgeld)

Friedensallee mit Siegessäule. Um 1920/25.
Pastell auf Malpappe.
Links unten signiert. 35 : 49,7 cm (13,7 : 19,5 in). Lesser Ury kommt 1871 aus dem kleinen Ort Birnbaum in der damaligen Provinz Posen nach Berlin. Vom ersten Moment an empfindet Ury für die Weltstadt eine ganz besondere Symphatie, die sich so sehr in seiner Kunst niederschlagen wird, dass er zu seinem 60. Geburtstag vom Oberbürgermeister Berlins als "künstlerischer Verherrlicher der Reichshauptstadt" geehrt wird. Bevor Ury Berlin endgültig zu seinem langjährigen Wohnsitz macht, studiert er in Düsseldorf und Brüssel Malerei, sammelt in Paris wertvolle Erfahrungen u.a. bei Lefebvre und erkundet Flandern und München, wo er sich 1886 für kurze Zeit an der Akademie der Bildenden Künste immatrikuliert. Im folgenden Jahr lässt er sich endgültig in Berlin nieder. Während die Berliner Zeitgenossen Liebermann, Slevogt und Corinth gemeinsame künstlerische Intentionen verbinden, ist Ury ein Einzelgänger, der in der Kunst seinen eigenen Weg beschreitet. Sein zunehmender Bekanntheitsgrad ist Max Liebermann, dem Präsidenten der Akademie und einflussreichen Wortführer der Kunstszene, wohl aus Konkurrenzgründen ein Dorn im Auge, da er mit allen Mitteln versucht, Urys Künstlerkarriere zu blockieren. Erst als Lovis Corinth Nachfolger Liebermanns wird, kann Ury regelmäßig und erfolgreich in der Sezession ausstellen. 1921 wird der Künstler Ehrenmitglied der Sezession. In diesem Jahrzehnt begibt sich Ury mehrmals auf Reisen nach London, Paris und in verschiedene deutsche Städte, von denen er jeweils eine Vielzahl neuer Bilder mitbringt.

Ebenso virtuos wie die Ölmalerei, beherrscht Ury die Pastelltechnik, die ihm gestattet, Luft- und Lichtspiegelungen der Landschaften nuancenreich darzustellen. Eine sonnendurchflutete Tiergartenallee ist im Œuvre von Lesser Ury eher einzigartig, sind es doch zumeist die Lichtreflexe auf regennassen Straßen, die seinen Berliner Stadtlandschaften den gewohnten Akzent geben. Der hier eingefangene Hochsommertag erinnert in den lichtdurchfluteten Baumgruppen an die Gardaseelandschaften, die im Werk von Lesser Ury eine eigene und vielbeachtete Gruppe bilden. Die Frische der Farben und ihr Verhältnis zueinander überrascht. Sie zeigt aber auch zu welchen koloristischen Leistungen Lesser Ury fähig ist.

Mit einem Herzanfall kurz nach einer Parisreise 1928 verschlechtert sich der Gesundheitszustand des Malers zunehmend. Drei Wochen vor seinem 70. Geburtstag, zu dem Nationalgalerie und Sezession das Lebenswerk Urys ehren wollen, stirbt der Künstler in seinem Berliner Atelier. [KD]
EXPERTISE: Mit einer Foto-Expertise von Frau Dr. Sibylle Groß, Berlin, vom 22. Dezember 2004. Die Arbeit wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis aufgenommen
PROVENIENZ: Privatsammlung Norddeutschland (seit 1950/55 in Familienbesitz).

In guter farbfrischer Erhaltung. Kanten rahmungsbedingt minimal berieben. Ecken mit winzigen atelierbedingten Nadeleinstichlöchlein. Untere linke Ecke mit punktueller Bestoßung. Mit vereinzelten geringfügigen Kratzspuren, mit Farbverlust.




108
Lesser Ury
Friedensallee mit Siegessäule, 1920.
Pastell
Schätzung:
€ 55.000
Ergebnis:
€ 55.200

(inkl. Käuferaufgeld)