Liebermann, Max, Maler und Graphiker, 1847-1935. 6 eigh. Briefe m. U. und 2 eigh. Karten m. U., davon eine mit Orig.-Radierung des Künstlers. Berlin, Zandvoort und Hamburg, 1890-1917. Zus. ca. 26 S. 8vo. (überwieg. Doppelblätter).

Inhaltsreiche und werkgeschichtlich bedeutende Brieffolge an den Kunstsammler Aloys Mayer in Wiesbaden. Liebermann nennt und beschreibt zahlreiche eigene Werke, an denen er gerade arbeitet oder die er kürzlich fertiggestellt hat. Daneben berichtet er über seinen Urlaubsaufenthalt in Zandvoort, dem "gelobten Land für die Malerei", über familiäre Angelegenheiten, seine Tochter Käthe, gesellschaftliche und politische Ereignisse, literarische "Klatschgeschichten", darunter der Eklat um Hermann Sudermanns Drama Sodoms Ende (1891), Kaiser Wilhelm II., verschiedene Malerkollegen und Kunstkritiker, Ausstellungen, Maltechniken, die Kunst des Weglassens etc.
".. Ihr Brief, den ich gestern erhielt, hat mir eine sehr große Freude bereitet: denn was kann es für einen Künstler angenehmeres geben, als in einem scheinbar Unbekannten einen alten Freund zu entdecken, ich meine einen alten Freund seiner Bilder .. Ihr Anerbieten nun, eine meiner Arbeiten zu erwerben, ist mir äußerst schmeichelhaft und obgleich ich sehr wohl begreife, warum Sie mir dasselbe nicht mündlich ausgedrückt haben, thut es mir doch sehr leid, weil wir uns im Gespräch leichter über den Gegenstand des Bildes hätten verständigen können. Zwar habe ich hier .. viel gearbeitet: das Leben in den Dünen, die grandiose Melancholie, die über Landschaft u. Figuren ausgebreitet ist: wie ein kleiner Karren durch die Dünen sich langsam hindurchschlängelt, wie ein Mädchen die Schaafe hütet. Natürlich ist bei derartigen Sujets die Stimmung die Handschrift .." (Zandvoort, 5. Sept. 1890).
".. Da Sie mir gestatteten, statt der Aquarelle einige Zeichnungen auszusuchen, lege ich die 2 Skizzen der Mutter mit dem Kinde u. die Straße in Zandvoort hinzu. Da Ihnen aber die Aquarelle zu gefallen scheinen, bitte ich Sie, dieselbe behalten zu wollen, aber ich wollte Ihnen meine Meinung über dieselbe nicht vorenthalten. Denn Sie haben mir soviel Vertrauen erwiesen, daß ich mich doppelt verpflichtet fühle, Ihnen gegenüber ganz aufrichtig zu sein. Und da will ich Ihnen dan(n) auch gestehen, daß ich für die Zeichnungen durchaus eintrete .. Wohl sind sie schnell gemacht; aber ich hoffe, daß man ihnen anmerkt, daß 15 oder gar 20 Jahre mühevollen Studierens vorausgegangen sind. Nicht sowohl das, was gezeichnet, sondern vielmehr das was nicht gezeichnet soll der Beschauer bei ihrem Anblick empfinden. Und wen(n) es gestattet ist, Großes mit Kleinem zu vergleichen: ein Lied von Göthe oder Heine zaubert in 4 Zeilen dem Leser einen Seelenzustand erschöpfend hervor, so möchten auch meine Zeichnungen in ein paar Strichen die momentane Erregung, in der ich sie mache, dem Beschauer mittheilen .." (Berlin, 18. Juni 1891).
".. Inzwischen haben Sie den Besuch der Majestäten gehabt; hier waren Höchstdieselben ein paar Stunden und der Herr, dessen Porträt ich gegenwärtig male [d. i. Carl Friedrich Petersen, Bürgermeister von Hamburg], hatte dieselben herumzuführen. Er meint, daß der Kaiser nicht gerade liebenswürdig .. aber höchst verständig und wißbegierig wäre. Besonders über Seewesen soll er sich sehr unterrichtet gezeigt haben. Übrigens war der Enthusiasmus hier gradezu frenetisch, was bei der Nähe von Friedrichsruh doppelt merkwürdig ist. Dagegen sollen - meine Quelle ist wieder der Dr. Petersen - Bismarck und besonders die Fürstin immer noch - gelinde ausgedrückt - rasen .. (Hamburg, 12. Juli 1891).

Max Liebermann, painter and graphic artist, 1847-1935. Set of interesting and comprehensive writings to the art collector Aloys Mayer in Wiesbaden. Together 6 autogr. letters with signature and 2 autogr. cards with signature, of which one with orig. etching by the artist. From 1890-1917. Ca. 26 pp. 8vo. (mostly double sheets).